Montag, 7. Mai 2012

Chichicastenango...


Der Besuch eines Indiomarktes gehört für mich zu den eindrucksvollsten Erlebnissen einer Lateinamerikareise. 
In Guatemala sind die Märkte besonders faszinierend, weil sich die vielen verschiedenen Trachten der Mayas zu einem einzigartigen Farbenspiel vermischen. 

Chichicastenango ist eine mittelgrosse Stadt in Hochland von Guatemala. Zweimal pro Woche findet hier ein Markt statt, der als einer der größten und buntesten in ganz Lateinamerika gilt. Da dieser Markt zu den berühmtesten Touristen-attraktionen Guatemalas gehört, liegt der Schwerpunkt in diesen Tagen vor allem bei Kunsthandwerk und Textilien. 

Allerdings findet man noch immer genügend Ecken, in denen die Indigenas unbeeindruckt von den vielen Touristen, ihren Handel mit Waren des täglichen Gebrauchs betreiben. 
Märkte sind der soziale Mittelpunkt im Leben der meisten Hochlandbewohner und für viele die einzige Gelegenheit, ihr Dorf zu
verlassen und natürlich auch die einzige Einnahmequelle.  

Fast genauso interessant wie der Markt selbst, fand ich den Tag davor. Wenn sich die recht beschauliche Stadt langsam mit Menschen füllt, die entweder aus den umliegenden Bergdörfern, aber auch aus allen Regionen Guatemalas mit
ihren Waren nach Chichicastenango kommen. Gegen Abend beginnen die Männer aus Holzpfählen und Brettern ihre Stände zusammenzubauen. Die Gassen sind voller Menschen, die riesige Ballen umherschleppen. Noch ist alles ruhig und
von der Hektik des Markttages ist wenig zu spüren. 
Ganze Familien übernachten unter den Arkaden rund um den Park oder unter ihren Verkaufsständen. 

Da ich in Chichicastenango übernachte, bin ich am Markttag bereits sehr früh unterwegs und kann so miterleben, wie sich die Stadt langsam, bis in den
letzten Winkel, in ein riesiges kunterbuntes Labyrinth verwandelt. Zwischen hunderten Ständen bleiben nur noch enge Gassen, die sich allmählich mit Menschen füllen. 
Neben seinem Markt ist Chichicastenango vor allem für die mystischen religiösen Zeremonien bekannt, die aus einer Mischung aus katholischen Bräuchen und alten Maya-Riten entstanden sind. Den ganzen Tag werden auf den Stufen der 400 Jahre alten Santo Thomas Kirche Behälter mit rauchendem Copalharz geschwenkt. Jede der 18 Stufen steht für einen Monat im Mayakalender. Die Rauchschwaden ziehen sich durch die engen Gassen und verteilen den eigentümlichen
Geruch über den ganzen Marktplatz. Auf den untersten Stufen sitzen Frauen in einem Meer aus Blumen, die als Opfergaben verbrannt
oder in der Kirche verstreut werden. Auf einem Hügel in der Nähe der Stadt finden immer noch regelmäßig Opferrituale und schamanische Rituale statt. 

Gegen Mittag herrscht dichtes Gedränge auf dem Marktplatz und in den engen Gassen.  Die  Touristenbusse aus Antigua sind bereits angekommen. 
Das Marktgeschehen ist ein wahres Feuerwerk aus verschiedenen Farben, Klängen, Gerüchen. Man hat den Eindruck die ganze Vielfalt
dieses fantastischen Landes vereint sich heute an diesem einen Ort. Man kann sich einfach nicht sattsehen, an der kunstvollen und farbenprächtigen Bekleidung der Indigenas. Immer wieder entdecke ich Trachten aus den verschiedenen Hochlandstädten, durch die ich gerade geradelt bin. Mich faszinieren vor allem die alten, gebrauchten Huipiles (Blusen), die es an manchen Ständen zu kaufen gibt. Welch unglaubliche Geschichten sie wohl oft erzählen könnten. 

In der Mitte des Marktes gibt es einen überdachten Bereich, in dem sich die Essenstände befinden. Es ist ein schönes Erlebnis, sich dort unter die Einheimischen zu mischen, um  in einer ganz besonderen Atmosphäre einfach, gut und sehr billig zu essen. 
Ansonsten bieten Märkte natürlich auch immer wieder eine Gelegenheit zu  kulinarischen Entdeckungsreisen aufzubrechen, die mir immer wieder vor
Augen führen, wie viele Früchte, Gemüse- und Getreidesorten es gibt, die ich nicht kenne. 

Die Händler, die vor allem Kunsthandwerk und Souvenirs verkaufen sind angenehm freundlich und selten aufdringlich.
Wie eigentlich überall in Lateinamerika ist es auch hier Brauch zu handeln. Daran kann ich mich wohl nie richtig gewöhnen. Diese ewigen Preisverhandlungen sind für mich ein notwendiges Übel. Ich glaube ich bin auch
ein schlechter Verhandler und gebe mich ziemlich schnell geschlagen. Es gibt für mich einfach Grenzen,  die ich  auf keinen Fall unterschreiten will. Leider treffe ich zu oft auf Reisende, die ihre Geiz ist Geil Mentalität aus der westlichen Welt
mitgebracht haben und hier versuchen die Preise immer und überall auf das absolute Minimum zu drücken. Manchmal grenzt das fast schon ein wenig an Ausbeutung. 

Der Markt ist in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen und Händler bevölkern auch Strassen und Gassen weit ausserhalb des Zentrums. Hier findet man vor allem Dinge, die für die Einheimischen bestimmt sind. Lebensmittel, Werkzeuge, Tiere, Heilkräuter, Kleidung, Schuheund wirklich alles was man sich sonst noch so vorstellen kann. 

Das unüberschaubare Labyrinth des Marktes  bietet  kleinen Kindern einen spannenden Abenteuerspielplatz und für die allgegenwärtigen,  streunenden Hunde, ist   ein Marktplatz wohl auch eine riesige Fundgrube und wahrscheinlich einer der wenigen Lichtblicke in ihrem trostlosen Leben.
Während Märkte  in anderen Städten,  schon am frühen Nachmittag langsam abflauen, herrscht hier reges Treiben bis zum Einbruch der Dunkelheit. Langsam wird damit begonnen, die Waren wieder zu verpacken. An einem Stand mit dutzenden geschnitzten Holzmasken, wird jede einzelne von ihnen fein säuberlich in Zeitungspapier verpackt. Langsam weicht die Hektik einer eigentümlich entspannten Atmosphäre. 
Ganze Familien sitzen in ihren Ständen und essen, weil sie vielleicht im regen Treiben während des Tages nicht dazu gekommen sind. 
Wie sich ein Markt so langsam wieder auflöst, habe ich auch noch nie beobachten können.
Wie fühlen sich die Menschen wohl? Haben sie genug verkauft, um bis zum nächsten Markttag über die Runden zu kommen. Mit dem Markt sind für
diese Menschen viele existenzielle Fragen verbunden.  
Ich kann mir nur wünschen, dass  die faszinierende Tradition der Märkte an die nächsten Generationen weitergegeben wird und auch in Zukunft
die Plätze vieler Dörfer und Städte mit Leben füllen werden.  





1 Kommentar:

  1. Wieder einmal: Danke Markus, dass du uns mit deinen beeindruckenden Bildern und Berichten an deiner Reise teilhaben lässt!
    Herzliche Grüße aus dem Herrenried!

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