Donnerstag, 29. November 2012

Bienvenidos en Argentina...




Über eine einsame und karge Hochebene radle ich der argentinischen Grenze entgegen. Die Gegend hier ist rau und abweisend.  Die wenigen Leute, die hier leben, arbeiten in den  Minen der Umgebung.
Nur die wertvollen Bodenschätze schafften es, überhaupt Menschen in diese abgelegene Gegend zu locken.  
Die Nächte sind bitterkalt und auch tagsüber fegt ein eisiger Wind über die steppenartige Landschaft. 
Die Erosionskraefte haben eine vielfältige Landschaft erschaffen, die von sanften Hügeln über bizarre Sandsteinformationen reicht. 
Nur selten führt die Strasse durch kleine Dörfer, die manchmal einen verlassenen Eindruck machen und  nur aus wenigen  Lehmhäusern bestehen.   Es ist bitter, wenn man sich vorstellt,  wie hart und entbehrungsreich dieses Leben sein muss. 
Ein Leben am Rande der Zivilisation ohne Strom und fliessendes Wasser, weit abseits aller Annehmlichkeiten der modernen Welt.


















Bei Villazon überquere ich schliesslich die Grenze zu Argentinien und habe das erste Mal das Gefühl, meinem grossen Ziel Feuerland schon ganz nahe zu sein. Ein Schild mit der Aufschrift "Ushuaia 5121 km" holt mich schnell wieder auf den harten Boden der Tatsachen zurück.







Obwohl die erste argentinische Stadt "La Quiaca" noch stark von bolivianischer Kultur beeinflusst ist, spürt man auf Anhieb, wie gewaltig der Kontrast zwischen diesen beiden Ländern ist. Die Strassen, die Häuser und die Autos haben in Argentinien beinahe europäischen Standard, 
die Umgebung ist um vieles sauberer und die Doerfer wirken ordentlich und organisiert. Es ist fuer mich immer wieder schwer zu begreifen, wie eine imaginaere politische Grenze die Lebensqualitaet der Menschen dermassen beeinflussen kann. 
Seit langer Zeit betrete ich wieder einmal eine richtige Bäckerei und starre fasziniert in die Regale voller Brot und Süßgebäck und 
beschliesse, die ersten zwei Stunden im neuen Land hier zu verbringen. 

Schon auf den ersten Kilometern auf argentinischen Strassen bläst mir ein steife Brise ins Gesicht. Der Wind hat eine ungeheure Kraft hier, denn 
in der endlosen Weite der argentinischen Pampa gibt es wenig, das sich ihm in den Weg stellt.
Er ist auch wirklich das Einzige, das einem die Freude am Radfahren in diesem Land verderben kann. 

Die Strecke nach Salta führt unter anderem durch die "Quebrada Humahuaca",  ein trockenes Flusstal, das zum Weltkulturerbe der Unesco gehört
und das sich durch Berge und Hügel in allen nur vorstellbaren Farbtönen in Richtung Salta schlängelt. 
Auf dem Weg liegen immer wieder malerische kleine Indigenadoerfer, mit ockerfarbenen Adobehaeusern, kleinen Plazas und engen, gepflasterten Gassen.










Salta, im Norden Argentiniens, gehört für mich zu den schönsten Städten Lateinamerikas und ist der perfekte Ort, um neue Energie zu tanken, und um sich mit den Eigenheiten der argentinischen Kultur vertraut zu machen.

Argentinische Städte versinken von eins bis sechs in eine Art Tiefschlaf. In dieser Zeit sind so gut wie alle Geschäfte geschlossen. Siesta ist, wie das Trinken von Mate-Tee, fester Bestandteil des argentinischen Lebens. 
Auch Gastfreundschaft ist ein hoher Wert in diesem Land. Ich werde oft eingeladen und ungewohnt viele Menschen interessieren sich für meine Reise. 
Erstmals seit der USA gibt es auch wieder richtige Campingplätze, auf denen man für wenig Geld eine Dusche und einen Platz fürs Zelt bekommt. 

Südlich von Salta durchquert man auf dem Weg nach Cafayate den nächsten spektakulären Canyon mit bizarren und kunterbunten Felsformationen, 
bevor man tagelang durch gigantische Weinanbaugebiete radelt. 
Weingüter säumen die Strassen durch das Valle Calchaquies, wie diese Gegend hier genannt wird,  und sind manchmal ein willkommener Grund für eine  längere Pause mit Weinverkoestigung.


Eine der vielen Kirchen in Salta. 

Weinanbaugebiet in der Gegend von Cafayate. 


Die berühmt berüchtigte Ruta 40 führt weiter Richtung Süden durch trockene und eintönige wüstenartige Landschaft. Schnurgerade Strassen verlieren sich in der endlosen Weite der argentinischen Steppe und ein hartnäckiger Südwestwind sorgt zusätzlich dafür, dass ich diesen Teil der Reise als eine extreme mentale Herausforderung empfinde. 
Erst kurz vor Mendoza wird die Landschaft plötzlich wieder grüner und man kann wirklich nur staunen, was für eine Oase hier durch ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem entstanden ist. 
Mendoza ist die unangefochtene Weinmetropole Argentiniens. Geschaeftige Fußgängerzonen, gemütliche Strassencafes, zahlreiche Plazas, ein riesiger Stadtpark
ein blühendes Nachtleben und nicht zuletzt die riesigen schneebedeckten Andengipfel im Hintergrund verleihen der Stadt einen besonderen Charme. 
Man könnte sich verweilen in dieser Gegend, aber da ich auf meinem langen Weg schon einige Weingegenden durchquert habe, steige ich  nach 
einem gemütlichen Ruhetag wieder aufs Rad, um auf meinem Weg nach Santiago de Chile über den Bermejopass wieder mal die Anden zu überqueren.

Gemächlich ansteigend führt  die Strasse durch schroffe Gebirgslandschaften mit breiten Tälern,  mächtigen Flüssen,  Seen und zerklüfteten Bergketten. Wie ein Koenig thront 
der mächtige Aconcagua über der imposanten Kulisse. 
Ein Teil des Hollywoodfilms "Sieben Jahre Tibet" wurde hier in dieser Gegend gedreht.  
Oben auf dem Pass liegt noch ziemlich viel Schnee, und die kleinen  Skiorte auf beiden Seiten der Grenze wirken wie kleine verlassene Geisterdoerfer. 
Eindrucksvoll schlängelt sich die Passstrasse auf der chilenischen Seite hinunter nach ….

Rast in einer Bushaltestelle. Mit Jenn und Dave aus Kanada
war ich einige Tage in der Gegend um Mendoza unterwegs. 








Ein eigenartiges Ritual, mit dem man in Argentinien staendig in Beruehrung kommt, beruht auf der Geschichte von Maria Antonia Deolinda y Correa, die im Jahre 1841 in der Wueste verdurstet ist. Der Saeugling, den sie bei sich trug, ueberlebte dank der Muttermilch. 
Vor allem Auto- und LKW-Fahrer veehren die Frau als Schutzheilige und hinterlassen an Schreinen im ganzen Land gefüllte Wasserflaschen. 


Difunta Correa Schrein in der Nähe von Uspalanta. 



Aufstieg zum Bermejopass.



Tropfsteinformationen "Puente del Inca"



Im Hintergrund der Aconcagua, mit 6.962 m der
höchste Berg Südamerikas. 








Abfahrt vom Bermejopass nach Chile.

In Santiago de Chile fühlt man sich wie in einer europäischen Grossstadt und ich gönne mir ein paar gemütliche Tage in einem feinen Hostal. 
Unter anderem mache ich mich auf die Suche nach guten Landkarten und einigen Ersatzteilen fuers Fahrrad. 

Der Weg von Santiago hinunter ins chilenische Seengebiet bietet wenig Abwechslung und seit langer Zeit muss ich mich wieder durch ein paar lange, harte Regentage kämpfen.  Etwa 800 km radle ich auf einer Art Autobahn direkt ins chilenische Seengebiet noerdlich von Puerto Montt. Die Strasse hat einen breiten Seitenstreifen, man hat viel Platz und fühlt sich deshalb ziemlich
sicher.















Sonnenuntergang in Puerto Varas


Der deutsche Einfluss in dieser Region
Chiles ist sehr gross. 





















Donnerstag, 20. September 2012

Bolivien...








Einige Kilometer nach der bolivianischen Grenze erreiche ich Copacabana, einen kleinen, beschaulichen Ort, eingebettet in sanfte Hügel, direkt am Ufer des Titicacasees.
Vom See führen steile, enge Gassen hinauf zur Plaza und zur berühmten Basilika.
Copacabana ist der wichtigste Wallfahrtsort in Bolivien. Jeden Tag wartet eine ganze  Schlange kunterbunt geschmückter Fahrzeuge vor der Kirche, um anschliessend wieder mit himmlischem Segen, in die harte Realität des bolivianischen Verkehrs zurueckzukehren.

Ansonsten wirkt der Ort gemütlich, fast ein wenig verschlafen und erst am späteren Vormittag füllen ein paar wenige Touristen die Strassen langsam mit Leben. Zwischen den vielen Souvenirgeschaeften,  Restaurants und Tourveranstaltern sitzen einige  verwegene Gestalten, die versuchen selbstgemachten Schmuck,   Rauchutensilien und allerhand Kreatives an den Mann zu bringen.
Während des Tages sorgt die Sonne an fast 300 Tagen im Jahr für angenehme Temperaturen und   abends fuer ein grossartiges Farbenspektakel, wenn sie am Horizont langsam im See versinkt.
Copacabana ist ein wahrlich idyllischer Ort in bezaubernder Landschaft. Gerade an einem solchen Ort, in dem noch dazu der Grossteil der Bevölkerung vom Tourismus lebt,  stimmt es mich besonders nachdenklich, dass es hier offensichtlich niemanden gibt, der sich um die Müllentsorgung kümmert. Das    Seeufer, die Strassen und die ganzeUmgebung der Stadt ist mit riesigen Mengen Muell verschmutzt.










Armee der Träumer mit dem hehren Ziel,
die Welt zu retten.








Strassenbaustelle in Copacabana



Nach über zwei Monaten in Peru radle ich mit gemischten Gefühlen ueber die Grenze nach Bolivien. Einerseits freue ich mich auf das neue Land, die neue Kultur und intensive Naturerlebnisse. Andererseits weiss ich von einer frueheren Reise, dass dieses Land, mit seinem rauen Klima, den steinigen Strassen und den vielen sehr duenn besiedelten Regionen,  jede Menge Herausforderungen für Reisende bereithält. Der Lebensstandard in Bolivien ist erschreckend niedrig und wenn man erlebt, unter welchen Umstaenden die Menschen in den kleinen Doerfern auf dem Land leben müssen, kommt man unwillkürlich ins Gruebeln. Es ist mir oft Armut begegnet, in den letzten Monaten. Eine Reise durch Lateinamerika macht eben manchmal auch sehr betroffen und laesst einem mit dem Gefühl der Ohnmacht zurueck.  In Bolivien begleitet  mich dieses Gefühl öfters und es ist intensiver,  als in anderen Ländern.  Manchmal hat man fast ein wenig das Gefuehl, viele Bolivianer haben  resigniert und ihren Glauben an den Fortschritt verloren.  Vielleicht wurden zu viele Hoffnungen, die sie in ihren Praesidenten Evo Morales gesetzt haben, bitter enttäuscht.  Ich befuerchte sein radikaler politischer Kurs und die Verteufelung des Kapitalismus bringt dem Land keinen Nutzen.

Nach Copacabana führt die Strasse hoch über dem
Titicacasee entlang und bietet grossartige Aussichten. 


Titicacasee mit der Cordillera Real im Hintergrund.




Eine etwas in die Jahre gekommene Fähre führt über einen
Arm des Titicacasees.




Auf dem Weg nach La Paz.

Bolivianer, besonders in laendlichen Regionen,  sind Touristen gegenüber manchmal sehr reserviert. Umso erfreulicher und unvergesslicher ist es, wenn man hier auf offene Menschen trifft und herzliche Gastfreundschaft erfahren darf. 


Strassenverkaeufer in El Alto.

Eine atemberaubende Stadt - La Paz


















Kaelte, Wind, Staub und Müll,  das taegliche Leben ist oft richtig "hartes Brot" in vielen bolivianischen Atliplanodoerfern.



Extreme Weite und karge Landschaft...

Eine der wenigen guten Asphaltstrassen in Bolivien
fuehrt von La Paz nach Oruro.







Die Laeden sind klein geworden, und man bekommt oft nur
das Allernotwendigste. 



Bald nach Huari beginnt eine 400 km lange "Radtortur". Eine sandige
Wellblechpiste, die manchmal nur mit groesster Anstrengung befahrbar ist,
führt über Uyuni nach Tupiza. 

Nach 100 km Wüste mal wieder ein kleiner Ort. 

Durchbeißen und Ruhe bewahren...







Man muss sich über intensiven Farben,  Stille, Einsamkeit und über die Weite
der Landschaft freuen können, um hier eine gute
Zeit zu haben. 








Die Nächte sind bitterkalt hier auf ueber 4000 m. Den Sonnenuntergang
geniesst man am besten vom  Schlafsack aus.