Sonntag, 27. November 2011

Big Sur...

Zwischen San Francisco und San Diego liegen etwa 1000 aufregende Kilometer, die jede Menge Kontraste bieten.
Intakte Naturlandschaften und beschauliche Stateparks  wechseln sich ab mit pulsierenden Grossstaedten wie Santa Cruz, Santa Barbara oder Los Angeles, die mondänen Urlaubsorte der Reichen und Schönen wie Carmel, Malibu oder Santa Monica, stehen im krassen Gegensatz zu Orten wie Venice Beach, an denen sich Freaks, Alternative und Esoteriker treffen.


Der wohl berühmteste Abschnitt des Highway One, "Big Sur" genannt, schlängelt  sich entlang einer spektakulären Steilküste und endet nach etwa 150 km in einer riesigen Ebene, in der vor allem Erdbeeren und allerhand Gemüse in amerikanischer Größenordnung angebaut wird.


Highway 1 führt oft direkt am Meer entlang, um dann manchmal wieder für eine Weile im hügeligen Hinterland zu verschwinden.
Radfahrer dürfen  manchmal auf einsame Seitenstraesschen gemütlich vor sich hinrollen, um dann wieder auf 8-spurigen Strassen im Grossstadtgetuemmel von Los Angeles ums Überleben zu kämpfen. 


Carmel, genau wie Malibu und andere Nobelorte haben zwar meist eine außergewöhnlich schöne Lage, aber es fehlt ihnen an Flair und Atmosphäre,  wie man ihn an ähnlichen Orten in Europa z. B. an der Cote Azur spüren kann.
Malibu,  zum Beispiel zieht sich über unglaubliche 27 km hin, hat aber irgendwie kein richtiges Zentrum. Links und rechts des Highways reiht sich eine verrückte Villa an die andere, wobei die Mauern und Zäune so hoch sind, dass man nie jemand zu Gesicht bekommt, schon gar keine Prominenz.
Waere ich ein steinreicher Superstar würde meine Villa ganz sicher nicht hier stehen.

Am Strand von Carmel


Südlich von Carmel beginnt das eigentliche "Big Sur",  eine Landschaft wie geschaffen, um etwas Ruhe und Erholung von den turbulenten Tagen in San Francisco zu finden.
An der ganzen Big Sur Küste leben nur etwa 2000 Menschen, die meisten irgendwo in versteckten Häusern, die oft in spektakulärer Lage über dem tuerkisblauen Meer thronen. Es gibt keine Städte, keine fastfood-Restaurants und keine Supermärkte. Stattdessen kann man sich an einer außergewöhnlich schönen Umgebung erfreuen.  


In den 20iger und 30iger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde der Highway 1 mit Dynamit aus den Felsen des Santa-Lucia-Gebirges gesprengt.  18 Jahre lang waren vor allem Strafgefangene mit dem Bau dieser Strasse beschäftigt.  
Für zwei Tage dieser Knochenarbeit wurde den Sträflingen ein Tag ihrer Haft erlassen. 
1937 war die  verrückte Strasse  zwischen Carmel im Norden und San Simeon im Süden dann durchgehend befahrbar.












 Manchmal finde ich wirklich außergewöhnlich schöne Plätze zum campen, nur in den Stadtparks (und davon gibt es hier nunmal echt viele) sind mir die  Ranger immer auf den Fersen. Ich muss mich wirklich gut verstecken, um ihren wachsamen Augen zu entgehen. Einmal schlug ich abends als es schon dunkel war, mein Zelt in einem Feld auf, ohne zu wissen, dass ich mich in einem Statepark befinde. Am Morgen laufe  ich direkt einem Ranger in die Arme, gerade als ich von der Toilette aus einem Busch kam. Eine richtige Scheiss-Situation. Der Dialog beginnt mit der Frage: "How comes that you camp here"?
Ich versuche es mit meiner Standarderklärung, dass es dunkel wurde und ich es nicht mehr in die nächste Stadt geschafft hätte. Obwohl es mir bewusst wäre, dass man hier nicht campen darf, haette ich einfach keine andere Wahl gehabt.  
Ob mir eigentlich klar sei, dass ich neben dem Wildcampverbot noch gegen gleich drei weitere Parkgesetze verstossen hätte? 
Leider entlarven mich die herumliegenden corpi delicti schamlos und ich kann mich schlecht herausreden.
Eine leere Bierdose - Alkoholverbot, Kocher - Feuerverbot und im Busch liegt das Dritte, das ihm ein besonderer Dorn im Auge war. 
Manchmal gegen mir die Amis wirklich auf den Wecker. Sie gehen ja wirklich nicht gerade sorgsam mit unserem Planeten um, versauen ganze Ozeane mit ihrem Oel und dann mich behandeln, als hätte ich gerade die ultimative Umweltsünde begangen.  
Meine Vergehen müssten eigentlich für jede Menge Aerger und ein lebenslanges Parkverbot reichen. 
Zum Glück erwische ich einen freundlichen, verständnisvollen Mann, der sich für meine Tour begeistern kann.  Er werde noch einmal ein Auge zudrücken, wenn ich ihm verspreche, das Zeug im Busch zu vergraben. 


Ein paar Tage später wieder eine Rangerbegegnung. Ranger sind ziemliche Respektspersonen hier in Kalifornien, tragen Uniform und sehen aus wie Sheriffs. Auch ihr Ton ist ziemlich streng. 
Wieder zieht meine Masche und er verlangt, dass ich wenigstens soviel bezahle, wie der nächste Campingplatz gekostet hätte, nämlich 10 Dollar. Weil ich nur einen 20-Dollarschein habe und er nicht wechseln kann, meint er nur: "Well, ok then it's your lucky day" und zieht von dannen. 
Schwer in Ordnung die Jungs.    






Südlich von Big Sur durchquert man riesige Erdbeerfelder auf denen gerade Hochbetrieb herrscht. Die ganze Luft riecht nach Erdbeeren.  In den Feldern arbeiten ausschliesslich Mexikaner und so hat man irgendwie das Gefühl, man befände sich schon mitten in Mexiko. Die Dörfer tragen Namen wie Conception, Guadalupe oder San Luis Obispo und man hört hier eigentlich nur Spanisch. 


Erdbeerernte

Gemüsefelder soweit das Auge reicht


Ein absoluter Höhepunkt in Big Sur ist eine riesige Seelöwenkolonie bei San Simeon. Diese wunderbaren Geschöpfe versprühen massenhaft gute Laune. Alles an ihnen ist eigenartig. Die Art, wie sie sich bewegen, die Laute, die sie von sich geben und vor allem, wie sie miteinander umgehen. Sie scheinen die Sonne, das Meer und den Sand so zu geniessen, dass man sich am liebsten dazulegen möchte. 
Eine Wissenschaftlerin, die das ganze Jahr über hier ist, erzählt mir viel Interessantes über die Tiere und zeigt mir Fotos, wie sich das Bild an diesem Strand im Laufe des Jahres verändert. Das Liebesleben scheint jedenfalls ziemlich geregelt abzulaufen. Noch herrscht eitle Wonne. Es sind nur junge Weibchen anwesend. Irgendwann im Dezember kommen die gigantisch grossen Männchen an den Strand und mischen die Szene so richtig auf. 
Sie liefern sich erbitterte Kaempfe und es herrscht ein unvorstellbares Gebrüll. Die Sieger, die  Alpha-Maennchen dürfen bleiben und können es sich eine Weile richtig gut gehen lassen, die Beta-Maennchen hingegen, müssen sich an einem Strand, ein paar Ecken weiter, mit den weniger attraktiven Seelöwendamen begnügen. 












Am Strand zu sitzen und zuzusehen wie die Sonne langsam im Meer versinkt, Delphine vorbeiziehen und Pelikane mit  unvorstellbarer Präzision Fische aus dem Wasser holen, gehört zu den vielen Erlebnissen meiner Reise, die für immer in Erinnerung bleiben.  









Die berühmten Baywatch-Straende sind menschenleer,  von den Blondinen in den roten Badeanzügen leider keine Spur. Es ist aber auch außergewöhnlich kühl und regnerisch im Moment  und ausser ein paar Joggern hat sich niemand an den Strand verirrt. 
Fitness wird hier in Kalifornien wirklich gross geschrieben. Was dem Rest der  Vereinigten Staaten an Bewegung fehlt, versucht man hier zu kompensieren. Direkt am Strand gibt es ausgedehnte Fitnessoasen. Erstaunlicherweise findet man hier aber keine topmodernen Fitnessmaschinen, sondern turnt an den guten alten Turngeräten herum, mit denen ich meine Schüler auch hin und wieder quäle.   Läufer, Skater und Radfahrer haben ihre eigenen Spuren, damit sie sich nicht in die Quere kommen. 
Ich bin echt froh, dass ich eine ruhige Jahreszeit erwischt habe. So bleibt mir der Stress erspart im Sommer durch diese Städte zu radeln.















Venice Beach gehört wahrscheinlich zu den ausgeflipptesten Orten in den Vereinigten Staaten. Hier treffen sich die Menschen, die sich an den vornehmen Nachbarstränden fehl am Platz fühlen. Hier sind die Jahre scheinbar etwas langsamer vergangen und man hat das Gefühl, noch ein wenig von den guten Alten Flower Power Zeiten zu spüren.  An der  belebten Strandpromenade versammeln sich Hippies, Freaks und Menschen, in deren Gesichtern sich ein ausschweifendes Leben spiegelt. Die strengen kalifornischen Gesetze scheinen hier ein wenig ihrer Wirksamkeit eingebüßt zu haben.  
Zahlreiche Obdachlose, die sich hier durchs Leben kämpfen, haben sich in manchem Winkel der Stadt häuslich eingerichtet.  
Die heruntergekommenen Gebäude bilden einen perfekten Rahmen, für die turbulente Strassenszene.











Ziemlich genau in Venice Beach beginnt eine wahre Nervenprobe für mich. Die ganze Konzentration gilt der Aufgabe Heil durch Los Angeles zu kommen. 
Ich habe mir in Google Maps eine ausgeklügelte Kombination aus kleineren Nebenstrassen zusammengestellt, die mich durch das gröbste Schlamassel bringen sollte. 
Ich kann mir bis jetzt nicht erklären, warum ich plötzlich kurz vor Sonnenuntergang mitten im Flughafengelände stehe. Die Einflugschneise in Los Angeles ist extrem spektakulär. Die Flugzeuge fliegen hier so niedrig, dass man sich instinktiv bückt. 
Es ist schon fast stockdunkel, als ich mich ausserhalb des Flughafens in ein Motel rette. 





Noch ein paar Eindrücke von unterwegs: