Freitag, 3. August 2012

Ayacucho...



Noch einmal muss ich über die Cordillera Blanca. Eine holprige Piste windet sich hinauf zum Huarapasca-Pass, mit 4.800 m etwa genau so hoch wie der Mt. Blanc in Europa.
Die Strecke führt  durch eine der schönsten und abwechslungsreichsten Landschaften Perus. Manchmal erscheinen die in allen Farben schillernden und  bizarr geschichteten Berge fast surreal. Die Natur hat sich hier in ihrer Kreativität selbst übertroffen und man kann eigentlich nur ehrfürchtig staunen über diese grandiose Kulisse.

 Nach tagelangem Auf und Ab, fällt die Strasse dann endgültig aus dem kühlen und kargen Hochland ins über 2000 m tiefer gelegene Huanuco ab. Nach Tagen der Stille und Einsamkeit im Hochgebirge und dem gemächlichen Lebensrythmus idyllischer Hochlanddörfer, lande ich  jäh und unsanft in der harten und vor allem lauten Wirklichkeit peruanischer Städte.  Bis spät in die Nacht füllen Menschenmengen  die Strassen und Gassen der Stadt mit pulsierendem Leben  und wieder einmal sorgen hunderte Mototaxis  für  ohrenbetäubenden Lärm und  ermüdende Hektik.

Um den Tourismus ein wenig anzukurbeln, hat man Huanuco kurzerhand zur "Stadt mit dem  angenehmsten Klima der Welt" erklärt. Obwohl sich in der Nähe einige interessante archäologische Stätten befinden, verirrt sich kaum ein Tourist hierher. Eigentlich schade, denn Huanuco ist eine angenehme und vor allem authentische Stadt. Ein guter Platz für mich, um neue Energie zu tanken. Ich finde ein günstiges Hostal mit  warmer Dusche, es gibt jede Menge Chifas (chinesische Restaurants), in denen  gewaltige Portionen auf den Teller kommen und die Temperaturen sind wirklich ausserordentlich angenehm. Mehr braucht eine müde Radlerseele nicht zum Glück.

Haette ich gewusst, dass ich zwei Tage später schon wieder in den kältesten und unwirtlichsten Regionen Perus unterwegs bin, hätte ich die wärmenden Sonnenstrahlen in Huanuco wohl noch viel bewusster genossen.














Huanuco

















Ausgefallene Hutmode in Huarica...



Juan ist 84 Jahre alt. Er hat sechs Kinder, wovon 2 in Spanien
leben. Er sagt, sie wollen nicht hart arbeiten, sondern ein feines Leben.
Deshalb musste er auch sein Restaurant "So ist das Leben"
schliessen. Momentan lebt er vom Verkauf von Brennholz. 





Reifenwerkstaette





Auf der Hochebene von Junin.

Lago Junin

Junin, die kälteste Stadt in Peru.

Nach Huanuco folgt die Strasse  einem Fluss und schlängelt sie sich gemächlich Meter um Meter höher.  Irgendwann deuten die charakteristischen gelben Ichu-Grasbüschel darauf hin, dass ich mich  wieder der 4000 m Grenze nähere. Diesen zentralen Teil der Anden nennt man auch "Tierra helada" (eisiges Land). Es ist  eine menschenfeindliche Umgebung und wie der Name schon sagt, bitterkalt. Ausser Gras und einigen Vicunas trotzt kaum ein Lebewesen diesen harschen Bedingungen.

Trotzdem gibt es grosse Städte hier oben. In Cerro de Pasco leben über 70.000 Menschen, die fast ausschliesslich in den Minen der Umgebung ihren Lebensunterhalt verdienen. Vor allem Blei, Gold, Kupfer und Zink werden hier abgebaut. Wer das riesige Loch mitten in der Stadt betrachtet, kann sich eine Vorstellung davon machen, wie kompromisslos und in welchen Dimensionen  Bergbau in Peru betrieben wird.

Zusammen mit La Oroya,  gehört Cerro de Pasco zu den am stärksten verschmutzten Orten der Welt.
Laut einer Untersuchung der WHO, wurde bei einem Grossteil aller Kinder stark erhöhte Bleiwerte im Blut gemessen, die als Auslöser für alle möglichen  Erkrankungen gelten.

Die Reise durch diese Region Perus macht mich betroffen und nachdenklich. Hier wird ein weltweites Paradoxon hautnah spürbar. In den Bergen und Hügeln dieser Region lagert ein gewaltiger Reichtum in Form verschiedener Bodenschätze. Offensichtlich verschwindet dieser Reichtum fast zur Gänze in alle möglichen Ecken dieser Welt und zurück bleibt fast nur verbrannte Erde, in Form kranker Menschen,  verseuchter Flüsse und verschmutzter Luft.
Es macht Hoffnung, wenn man sieht, dass die Bevölkerung Perus nicht mehr länger gewillt ist, diese Ungerechtigkeiten hinzunehmen.
In ganz Peru finden momentan Protestveranstaltungen und Demonstrationen gegen weitere ausländische Minenprojekte statt. Dabei geht es den Menschen vor allem um Gerechtigkeit.
Sie verlangen, dass ein Teil der  Gewinne aus dem Bergbau, zum Wohle der Bevölkerung in Umweltschutz, Bildung und Gesundheit investiert wird.


Die Minenstadt La Oroya.















Ich folge dem Rio Mantaro flussabwärts. Es ist eine gewaltige Schlucht, die  dieser Fluss hier in Millionen von Jahren in die Landschaft gegraben hat. Endlos zieht sie sich dahin, und erst nach etwa 100 km öffnet sie sich langsam  und geht in eine breite  Hochebene. Hier befindet sich mit Huancayo eine der größten Städte Perus. Eine moderne Grossstadt und geschäftiges Handelszentrum ohne besondere Sehenswürdigkeiten.

Etwa 50 km vor Huancayo liegt Jauja, eine kleine angenehme Stadt mit schöner Plaza, bunten kolonialen Häusern und einer gemütlichen kleinen Fußgängerzone.
Es ist mit Abstand die schönste Stadt seit langem und eine richtige Perle im zentralen Hochland von Peru.





Rio Mantaro








Saemi und Simi aus der Schweiz auf dem Weg
nach Ecuador. Gemeinsames Mittagessen am
Strassenrand.




Schon kurz  nach Huancayo endet der Asphalt und es beginnt eine der abenteuerlichsten  Strecken meiner ganzen Reise.  Ungefähr 800 km sind es von hier bis Cusco, meinem  nächsten grossen Ziel.

Das erste Stück nach Ayacucho beschreibt der Lonely Planet so:

"This is a tough 250km trip and not for the faint-hearted. Around 200 of those kilometers take you along a narrow, potholed, unpaved road between Huanta and Mariscal Cáceres through the wild Río Mantaro valley. The road runs at times high along unguarded cliff faces with nothing but space between your bus window and the foaming river below. Sit on the right side of the bus if you don’t like vertiginous drops." 


Spartanische Unterkuenfte - 3 Dollar die Nacht
2 volle Kübel Wasser inklusive.
























Ayacucho gehört für mich eindeutig zu den schönsten Städten in ganz Lateinamerika. Eingebettet in sanfte Hügel, versprüht die Stadt mit den vielen kolonialen Gebäuden, der gepflegten Plaza und den zahlreichen Kirchen einen besonderen Charme. Bis in die Neunzigerjahre war die Region um Ayacucho aufgrund ihrer abgeschiedenen Lage und der weit verbreiteten Armut , die ideale Brutstätte für die  Ideologie des "Leuchtenden Pfades", einer terroristischen Vereinigung, die für tausende Tote verantwortlich gemacht wird.  
Nur langsam heilen die Wunden dieser traurigen Epoche und allmählich lichtet sich der dunkle Schatten der Vergangenheit. 


Die Isoliertheit in dieser Zeit, trug dazu bei,  kulturelle Werte, Bräuche und Traditionen zu bewahren und halfen dabei, die Stadt vor aeusseren Einflüssen zu schützen. Das verleiht ihr heute diesen unverwechselbaren Charakter und einen Reiz, der Besucher augenblicklich in ihren Bann zieht.  Mittlerweile finden wieder öfters Touristen den Weg nach Ayacucho und bei einem Spaziergang durch die gepflasterten Gassen der Stadt, hat man das Gefühl, in echtes, unverfälschtes peruanisches Stadtleben eintauchen zu können. 




















Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen