Montag, 4. Juni 2012

Odyssee...











Endlose Bananenplantagen säumen den Weg von
Costa Rica nach Panama.





















       Typische Häuser von Arbeitern, die auf den Bananenplantagen ihren Lebensunterhalt verdienen.





Der Grenzübertritt  zwischen Costa Rica und Panama ist eine wohltuend entspannte Angelegenheit. Über den Grenzfluss führt eine alte Eisenbahnbrücke, die heute von Fußgängern, Autos und erstaunlicherweise auch von riesigen Sattelschleppern benutzt wird.



Durch hügeliges Farmland und größtenteils gerodetem Urwald radle ich nach Almirante. Von hier aus gehen Boote nach Bocas del Toro, einem  Archipel, das zu den beliebtesten Touristenzielen in Panama gehört.
Noch gilt diese Ecke Panamas als Geheimtip unter Reisenden. Jede Menge karibische Atmosphäre, Traumstrände und ein Nationalpark mit weitgehend intakter Tier- und Pflanzenwelt sorgen dafür, dass man glaubt, ein kleines Paradies entdeckt zu haben. 




Isla Colon in Bocas del Toro


Menschen der Karibik lieben schillernde Farben.  

Boca's Zahnambulatorium 

Zwischen den  Inseln von Bocas del Toro verkehren
so genannte "watertaxis". 

Viel Idylle auf der Isla Bastimentos.

Red Frog Beach benannt ....

... nach diesem zierlichen, bunten Geschöpf. 


Nach ein paar gemütlichen Tagen radle ich weiter in Richtung Panama City. Um wieder auf die Panamericana auf der Pazifikseite zu gelangen,  muss ich wieder einmal über das Zentral-
gebirge klettern. Für die langen Anstiege und heftigen Steigungen werde ich durch eine der schönsten und verkehrsärmsten Strecken meiner bisherigen Reise belohnt. Mitten im Regenwald zu campen, um in den frühen  Morgenstunden mitzuerleben, wie der Urwald langsam zum Leben erwacht, gehört zu den eindrucksvollsten Erlebnissen meiner Reise.



Paradies für Radfahrer....


Morgentoilette

Atlantik und Pazifik in Sichtweite.


Die Natur zeigt sich hier von ihrer schönsten Seite. 

Zurueck im Tiefland, macht mir die Hitze
wieder das Leben schwer. 

Kurz vor Panama City überquere ich die "Bridge of the Americas". Ein grosser Moment für jeden Panamericana-Reisenden.  Die Brücke ist wie ein Symbol für den ersten Schritt nach Südamerika. Meine Freude ist allerdings noch ziemlich verhalten, weil ich weiss, dass noch eine ganze Menge Abenteuer auf mich wartet, bis ich den Fuss auf südamerikanischen Boden setzen kann.

Für mich war die Reise durch Panama ehrlich gesagt mühsam. Ich fand einfach keinen Draht zu den Menschen und hatte das Gefühl, dass man hier Ausländern skeptisch gegenübersteht. Ich hatte Mühe mit der demonstrativen Gleichgültigkeit, die mir hier entgegengebracht wurde.
Ich glaube, die Ursache liegt vielleicht darin, dass die Amerikaner über viele Jahrzehnte eine dominierende Rolle in diesem Land gespielt haben.
Auch Panama City ist eine Stadt, die ich nur schwer  fassen kann. Das moderne Zentrum der Stadt, mit seinen Wolkenkratzern, Grossbanken und Shoppingmalls, steht in  gewaltigem  Kontrast zu den Randbezirken der Stadt, mit seinen baufälligen  Gebäuden, armseligen Behausungen und verarmten Bewohnern.


















Zwischen Panama und Kolumbien liegt die so genannte Darien Gap. Ein dichtes Regenwaldgebiet, durch das keine Strasse führt.
Theoretisch ist es möglich, mit kleinen Booten auf den vielen kleinen Flüssen, die dieses Gebiet durchziehen, nach Kolumbien zu kommen.
Allerdings ist das momentan ein lebensgefährliches Unterfangen, da  diese abgelegene und menschenfeindliche Umgebung von der  kolumbianischen Guerilla und von Drogenkartellen kontrolliert wird.
Schafft man den beschwerlichen Weg zur kolumbianischen Grenze,  wird man aller Wahrscheinlichkeit nach von der panamesischen Polizei verhaftet und zurückgebracht.

Man hat also nur die Möglichkeit zu fliegen oder auf einem Segelboot, im Laufe eines  5-tägigen Törns nach Kolumbien zu gelangen.  Beide Varianten sind sehr teuer.
Dazu gibt es noch die Möglichkeit, mit kleinen Booten, so genannten "lanchas", der Küste entlang nach Kolumbien zu kommen. Für diese Reise muss man allerdings viel Geduld, Abenteuerlust und auch etwas Gottvertrauen mitbringen.

Nach langem hin und her entschliesse ich mich, mein Glück zu versuchen. Es ist ziemlich schwierig, an Informationen zu kommen. Niemand weiss genau, wo und vor allem wann diese lanchas ablegen.
In einem Hostal in Panama City bekomme ich den Namen eines Mannes, der auf Carti lebt. Das ist eine der 370  San Blas Inseln, die der Karibikküste Panamas vorgelagert sind.
Eugenio aus Carti könne mir vielleicht weiterhelfen und habe gute Beziehungen zu den Bootsführern, die zwischen Panama und Kolumbien verkehren.

Die Bewohner der San Blas Inseln nennen sich Kunas. Den Kunas wurde bereits 1953 ein Automiestatus gewährt, was dazu beigetragen hat, dass sie ihre Kultur und Identität in hohem Masse bewahren konnten.
Es ist ein seltenes Experiment und eine einzigartige Form der Demokratie, die auf diesen Inseln gelebt wird.

Ich mache mich also auf den Weg zu den San Blas Inseln. Dabei durchquere ich ein fantastisches Urwaldgebiet. Es bleibt mir allerdings wenig Zeit mich mit der Umgebung zu beschäftigen, weil mir die  Strasse, die sich auf dem Weg zur Küste durch diese Gegend schlängelt, alles abverlangt.

Manche Abschnitte sind wahnwitzig steil. Das erste Mal in meinem Leben bin ich gezwungen,  mein Rad in Spitzkehren einen Berg hochzuschieben. Es ist ein zermürbendes Geduldsspiel. An einem ganzen Tag schaffe ich 35 km. Dafür kann ich wieder  eine unvergessliche Nacht im Regenwald verbringen.




Am nächsten Morgen, kurz vor dem Erreichen der Küste, begrüßt mich ein Kuna-Empfangskomitee mit Swastika-Flagge.  Die Kunas sind als geschäftstüchtig bekannt, und für das Betreten ihres Territoriums sind gleich einmal 6 Dollar für mich und ein Dollar fürs Rad faellig.
Die Männer sind sichtlich begeistert von meiner Tour und schenken mir Wasser für die restlichen
Kilometer an die Kueste.
Uebrigens die Swastika war bereits Teil der Kunaflagge,  bevor es von den Nazis als Symbol missbraucht wurde.









Gegen mittags erreiche ich ein kleines Pier, von dem aus   Boote zu verschiedenen Inseln ablegen. Ich nehme ein Boot nach Carti Sugdub und mache mich dort auf die Suche nach Eugenio.





Einige der bewohnten San Blas Inseln sind nichts für Klaustrophobe. Sie sind völlig überbevölkert und zwischen den Hütten bewegt man sich in engen  Gängen und Gassen.
Eugenio besitzt das einigermassen rustikale Gasthaus "Carti homestay" und es gibt ein einziges kleines Restaurant auf Carti.









 In Eugenio's Haus lebt eine unüberschaubare Anzahl von Menschen, von denen die meisten in Hängematten liegen. Ich habe den Eindruck, dass die Schlafkrankheit über diese Insel hereingebrochen ist.
Manche der Hausbewohner sehe ich in den folgenden Tagen überhaupt nie stehend und Eugenio kann einen einzigen Satz auf Deutsch. "Ich bin müde."

Meine Frage, ob es Boote Richtung Kolumbien gibt, stößt auf erhebliches Desinteresse. Gut es war klar,  dass ich eine Menge Geduld mitbringen muss. Mittlerweile hat es begonnen zu regnen. Besser gesagt, es schüttet, wie aus Kübeln. Die Gassen und Wege zwischen den Hütten verwandeln sich in schlammige Pfade. Es mag ja faszinierend sein, die Kultur der Kunas kennenzulernen, aber ich hätte nichts dagegen, hier so schnell wie möglich wieder wegzukommen.
In einer Regenpause mache ich mich auf zum Hafen und frage nach lanchas.
Man meint, wenn es Boote gäbe, würde man mir Bescheid sagen. Ok, immerhin etwas. Ich ziehe mich in mein Revier zurück. "Carti homestay", was für ein treffender Name. Ich frage mich, ob es irgend jemanden gibt, der sich hier wie zuhause fühlt.

Ein ganzer Clan hat hier gemeinsam eine Toilette und man muss durchs halbe Dorf wandern, um dorthin zu gelangen, was vor allem nachts ein richtiges kleines Abenteuer ist.
Während man sein Geschäft verrichtet, kann man den Fischen zusehen, wie sie sofort mit dem Abtransport der Ware beginnen.
Die nächsten zwei Tage bleibt das Wetter extrem schlecht und Eugenio meint, dass es bei diesem Wetter  aussichtslos wäre , auf ein Boot zu warten.
Am dritten Tag beschliesse ich,  ein Boot zum Festland zu nehmen, um dann zurück nach Panama City zu radeln. Das schmerzt. Wieder diese grausame Strasse.
Während ich mich  in Eugenio's Boot bereits geistig auf die Schinderei vorbereite, kommt uns ein Boot entgegen. Ein Junge in unserem Boot ruft: "Hey schau, das Boot nach Kolumbien."
Aha, da ist also das Boot, das bei diesem Wetter ganz sicher nicht fährt.
Eine unglaubliche Wut steigt in mir hoch und ich bombardiere Eugenio mit Schimpfwörtern  in mehreren Sprachen. Ein dermassen verlogener Mensch ist mir selten begegnet.
Ihn interessierte nur eines. Dass ich möglichst lange in seiner kleinen Schlafoase bleibe.
Gott sei dank zeigt er sich von meinen Schimpftiraden beeindruckt, macht kehrt und fährt der Kolumbien-lancha  hinterher. Glücklicherweise erwischen wir das Boot, das an einer Insel anlegt, um Passagiere an Bord zu nehmen.
Es dauert eine Weile bis ich den Kapitän überzeugen kann, mein Fahrrad mit an Bord zu nehmen.
Die lancha ist erschreckend klein. Wenn ich daran denke, dass ich in ihr die nächsten 10 Stunden auf stürmischer See verbringen muss, würde ich eigentlich doch lieber zurück nach Panama City radeln, um dort in einen Flieger zu steigen.



Aber es ist zu spät, das Boot schaukelt sich bereits seinen Weg durch die wogende See. Kurz nach dem Ablegen öffnet der Himmel wieder seine Pforten und es regnet dermassen heftig, dass wir schon bald gezwungen sind, auf einer Insel anzulegen, um das Wasser aus dem Boot zu schöpfen.
Während man die Karibik und die San Blas Inseln mit Sonne, Wärme und Strand verbindet, sitze ich durchnässt bis auf die Knochen in dieser Nussschale und friere erbärmlich. Ich versuche zu meditieren und rede mir ein, dass es  schlimmer nicht mehr kommen kann. Aber der Wind wird immer stärker, die Wellen immer höher und auf dem letzten Stück
übers offene Meer zucken auch noch Blitze vom Himmel. Wenigstens der Kapitän strahlt noch ein wenig Zuversicht aus und steuert sein Boot mit sagenhaftem  Geschick durch die riesigen Wellen.
Als es langsam dämmert, meint er, wir sollen uns gut festhalten, er müsse jetzt etwas beschleunigen.
Immer wieder werde ich hochgeworfen und lande unsanft auf der harten Holzbank.
Plötzlich tauchen Lichter am Horizont auf und die zunehmende Verzweiflung weicht einer unglaublichen Erleichterung, bald wieder festen Boden unter den Füssen zu haben.
Puerto Obaldia heisst der schäbige Ort an der Grenze zwischen Panama und Kolumbien, in dem man sich den Ausreisestempel holen muss.
Völlig durchnässt und hundemüde darf man zuerst eine Militärkontrolle rüpelhafter Soldaten über sich ergehen lassen, bevor man sich in einem der spartanischen Hotels aufwärmen kann.

Am nächsten Morgen bringt mich das nächste Boot über die Grenze nach Capurgana in Kolumbien.
Diese Fahrt dauert nur knapp eine Stunde und ist ein reines Vergnügen im Vergleich zum Vortag.
Kolumbien empfängt mich mit  Sonnenschein und die Soldaten am Pier heissen mich herzlich willkommen.
Was für eine Wohltat. Vom ersten Augenblick an verspüre ich eine  Wärme und Herzlichkeit, die mich auf Schritt und Tritt durch dieses Land begleiten wird.


Endlich! Kolumbien.

Stadt ohne Autos - Capurgana








Jetzt trennt mich nur noch eine etwa dreistündige  Bootsfahrt von Turbo, der nächst Größeren Stadt auf dem Festland. Von hier an bin ich wieder mein eigener Kapitän. Und es fühlt sich grossartig an.


















Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen