Dienstag, 20. März 2012

Bienvenidos a Guatemala...



Von Tenosique, der letzten größeren Stadt in Mexiko, sind es noch ungefähr 60 km bis zum Grenzort La Ceiba. Leider erwische ich eine falsche Strasse und erfahre erst nach ungefähr 40 mühsamen Kilometern an einer Militärkontrolle,  dass ich geradewegs ins Nirgendwo radle. Die Strasse führe zwar nach Guatemala, ende aber dann abrupt mitten im Regenwald von El Peten. Dabei habe ich unterwegs mehrmals nachgefragt, ob ich auf dem richtigen Weg bin. Eigentlich sollte ich es langsam  wissen. Es ist tueckisch, in diesen Ländern nach dem Weg zu fragen. Wenn die Leute keine Ahnung davon haben, wo ich hinwill, beschreiben eben einfach einen Weg den sie kennen. Frei nach der Devise 
"Besser eine falsche Auskunft als gar keine". 
Die Soldaten schicken mich zu einem Fischer, der öfters den Rio Usumacinta hinunter nach La Ceiba fährt. 
Aber der alte Mann hat heute offensichtlich keine Lust auf eine Bootsfahrt und verlangt einen astronomischen Preis. Also finde ich mich mit dem Gedanken ab, nach  Tenosique zurück radeln zu müssen. Da fällt dem  Fischermann plötzlich ein, dass es da einen kleinen Weg gibt, der quer durch die Wälder und  Felder führt und schliesslich auf  die richtige Strasse nach La Ceiba  trifft. Dieser Weg wird von den Einheimischen "La ultima lucha" (der letzte Kampf) genannt. Das klingt vielversprechend. Also auf in den Kampf. Stundenlang  holpere ich kreuz und quer durch einsame Gegenden  und treffe ausser zwei Reitern den ganzen Tag niemanden.  Kurz vor der  Abenddaemmerung erreiche ich dann endlich den Grenzübergang. Die Grenzformalitäten gehen erstaunlich problemlos über die Bühne. Was für ein seltenes Glück, an einer Grenze auf gut gelaunte und freundliche Beamte zu treffen. Und immer wieder ist es  ein besonderes Gefühl, in einem neuen Land angekommen zu sein. 
Die Euphorie hält nicht lange an. Grenzstädte sind selten einladend, aber La Ceiba ist einfach nur deprimierend. Am Strassenrand stehen, wie riesige Fackeln,  brennende Oelfaesser, in denen  gerade  Müll entsorgt wird.  Der Geruch von verbranntem Plastik liegt in der Luft.  Das Zentrum des Dorfes besteht aus einer riesigen, düsteren Wellblechhalle, mit hunderten  Verkaufsständen. Dolce & Gabbana, Abercrombie Fitch, Diesel, hier gibt es Markenhemden für 2 Dollar und Jeans für 3. Verwunderte Blicke verfolgen mich auf Schritt und Tritt, und die Leute scheinen sich zu fragen, wie sich dieser Gringo wohl in diese  Gegend verirrt hat. 
Beim Anblick des  Essens in einem dieser kleinen Restaurants zwischen den Ständen wird mir schnell klar, dass Guatemala  kein Land für Feinschmecker ist. 
Das einzige Hotel am Platz hat sich dem Charme des Dorfes blendend angepasst und die Zimmer haben das Ambiente einer Gefängniszelle. Eine etwas antiquarisch wirkende Klimaanlage  deutet darauf hin, dass diese Herberge wohl schon bessere Tage gesehen hat.   Die Sonne ist bereits hinterm Horizont versunken. Trotzdem ist es immer noch drückend heiss,  und ich fühle mich, als ob sich die ganze Hitze eines langen Tropentages in meinem Körper angestaut hätte.  Ein kühler Zufluchtsort, wäre hier wie
ein kleines Paradies.  




Allerdings erfahre ich zu meiner Ernüchterung,  dass das dröhnende Aggregat hinterm Hotel nur von 7 bis 11 Uhr abends Strom spendet. Um Punkt sieben gehen im Dorf dann auch wirklich die Lichter an, aber die spärliche Beleuchtung der Strassen kann dem Ort wenig von seiner Trostlosigkeit nehmen. 
Ich schalte die Klimaanlage ein. Angenehm kühle Luft bläst mir ins Gesicht und gerade als ich mich über dieses versöhnliche Ende des Tages  so richtig freue, gehen mit einem Schlag in der ganzen Umgebung die Lichter aus. Im stockdunkeln taste ich nach meiner Stirnlampe. Da  klopft es auch schon an der Tür. Die Hotelbesitzerin steht draussen und meint, sie hätte vergessen mir zu sagen, dass man die Klimaanlage nicht einschalten dürfe.  Sie bittet mich, mit dem  Ventilator, den sie in der Hand hält, vorlieb zu nehmen. 
Das ist ja ein richtig blendender Start in das neue Land.





Etwa 250 Kilometer sind es von hier bis zu den Mayaruinen von Tikal. Eine ziemlich neue Strasse führt von hier durch eine Gegend, die noch vor nicht allzu langer Zeit von undurchdringlich, dichtem Regenwald bewachsen war. Es ist deprimierend zu sehen, was davon übrig geblieben ist. Weite Flächen entlang der Strasse wurden gerodet, um Weideland für Kühe zu schaffen oder Plantagen anzulegen. Nur ein paar Hügel und kleine Berge, die für das Grasen der Kühe zu steil sind, sind noch dicht bewachsen. 
Die Regierung hat es über viele Jahre  mit verschiedenen Massnahmen geschafft, diesen Teil des Landes dichter zu  besiedeln und in kurzer Zeit hat sich die Bevölkerung in El Peten vervielfacht. Schon nach wenigen Jahren ist der empfindliche Regenwaldboden bei landwirtschaftlicher Nutzung ausgelaugt und so müssen laufend neue Flächen gerodet werden. 
Entlang der Strasse leben die Menschen in sehr bescheidenen Verhältnissen. Die Häuser sind aus Lehmziegeln gebaut und mit Palmblättern gedeckt. Ein typisches Bild sind die Frauen, die am Strassenrand laufen und  Krüge mit Wasser auf dem Kopf zu ihren Hütten tragen.  
Heute ist Sonntag. Die Dörfer scheinen im Tiefschlaf versunken.   Menschen sitzen bewegungslos vor ihren Hütten oder schaukeln in Hängematten.  Sogar Hunde, Hühner und Kühe meiden die lähmende Hitze und flüchten in den Schatten. 
Die Leute hier sind freundlich und scheinen sich über mich als willkommene Abwechslung zu freuen. Betrachtet man die Gegend von oben,  sieht sie aus, als hätten hier riesige Maulwürfe ein gigantisches Reich erschaffen. 
Tausende, seltsam gleichmäßige Hügel sorgen für eine zermürbende Achterbahnfahrt.  
Trotzdem schaffe ich es kurz vor Einbruch der Dunkelheit nach La Libertad, einer staubigen, dröhnenden und düsteren Kleinstadt, durch die man eigentlich am liebsten zügig durchfahren würde. 

Dafür erreiche ich schon am nächsten Tag  Flores, eine Stadt die auf einer Insel im "Lago Peten Itza" liegt und die durch eine  Brücke mit dem Festland verbunden ist. 
Sie ist der perfekte Ausgangspunkt für einen Besuch von Tikal. Häuser in allen Farben, steile gepflasterte Gassen, die fantastischen Sonnenuntergänge und die idyllische Lage im See verleihen diesem Ort  besonderen Charme. 

















Die Mayaruinen von Tikal liegen etwa 70 km von Flores entfernt. Was diese archäologische Stätte von allen anderen Mayaruinen unterscheidet, ist die einzigartige Lage mitten in einem intakten und geschützten Regenwaldgebiet. Die Morgenstimmung im Dschungel ist eine beeindruckende Erfahrung und so sitze ich schon um 5 Uhr morgens im Bus.
Das Gelände von Tikal ist sehr weitläufig und man wandert mehrere Stunden, wenn man alle größeren Tempel besuchen will. 
Der Morgennebel, der noch über dem Regenwald liegt, verleiht den Tempeln etwas Mystisches und die Brüllaffen sorgen mit ihren schauderhaften Lauten für die perfekte  Untermalung.
Im Unterschied zu  Palenque oder Teotihuacan, gibt es hier keine Händler, die mir etwas andrehen wollen und ich kann daher in aller Ruhe die faszinierende Welt auf mich wirken lassen.


Achtung Krokodile!
Zwei mal umrunde ich die Tempel. Hoch oben in den Bäumen schwingt eine Horde Affen mit beneidenswerter Leichtigkeit durch die Aeste und  immer wieder entdeckt man Tukane  und bunte Papageien. Nasenbären schleichen zwischen den Ruinen herum und belagern die Picknickplätze der Touristen.   Vom Tempel  IV hat man einen herrlichen Ausblick auf den umliegenden Regenwald und nur die Spitzen der mächtigsten Tempel ragen aus dem schier endlosen grünen Meer empor. 
Laut Archäologen liegen in dieser Region Guatemalas noch tausende   Ruinen unter dem dichten Planzenwuchs des Dschungels verborgen und warten auf ihre 
Entdeckung.  





















Was ich über die Strecke von Tikal hinauf nach Coban und dann weiter quer durch die "Highlands" erfahre klingt  abenteuerlich. Für durch Murenabgaenge verschüttete Strassen, anstrengende Schotterpisten und extreme Steigungen wird man durch traumhafte Gebirgslandschaften entlohnt. Und vor allem  reist man durch die Region Guatemalas, in der die Indigenakultur in ihrer faszinierendsten Form  zu erfahren ist. 
Vorerst durchquere ich die El Peten Region, die mittlerweile ziemlich dicht besiedelt ist. Wie kleine Mahnmale erinnern kleine, grüne Inseln daran, dass hier einst ein riesiges grünes Paradies mit sagenhafter Artenvielfalt den Interessen der Siedler weichen musste.  
La Libertad, Sayaxche und Chisec, der Weg führt durch beschauliche Städte und Dörfer, die weit abseits ausgetretener touristischer Pfade liegen.  Einerseits hat man in  solchen Orten  die Möglichkeit, in eine völlig fremde, spannende und überraschende Welt einzutauchen, andererseits kann es auch anstrengend sein, ständig Blicke auf sich zu ziehen. Manchmal wäre  eine Art Gringo-Tarnkappe praktisch. Abends nach Sonnenuntergang kostet es manchmal einiges an Überwindung sich ins pulsierende Dorfleben zu stürzen, aber meistens treibt mich dann doch noch der Hunger hinaus in die düsteren Strassen.  Zu schwach sind die schummrigen Lichter der Strassenlaternen, um der Dunkelheit das Unheimliche zu nehmen. 
Es gehört zu den vielen herausfordernden Facetten des Radreisens, dass man sich nicht nur die Rosinen herauspicken kann, sondern, dass man sich auch an einsamen, langweiligen, unheimlichen, chaotischen, unfreundlichen, hässlichen, staubigen, ungemütlichen, bedrohlichen und gottverlassenen Orten zurechtfinden muss. 

Faehre bei Sayaxche


Kurz vor Coban beschäftigt mich eine einfache mathematische Rechnung . In gut 20 km sollte ich auf einem 2000m hohen Pass stehen. Im Moment dümple ich aber  immer noch irgendwo auf Meeresspiegelniveau herum. Es droht eindeutig Ungemach. 
Und dann kommen sie auch schon, die ersten gnadenlosen  Hügel und bieten einen kleinen Vorgeschmack darauf, was mich in nächster Zeit  in der Bergen Guatemalas erwarten wird. Die Strassen wurden hier wohl aus ökonomischen Gründen so angelegt, dass sie für Autos und LKWs gerade noch fahrbar sind. Geländeformen wurden beim Strassenbau kaum berücksichtig, Stattdessen streben sie oft über viele Kilometer mit brachialen gleichbleibenden Steigungen in Richtung Himmel. Wohl mit ein Grund, warum die so typischen, nostalgischen "Chickenbusse"  auf diesen Strecken völlig verschwunden sind. An deren Stelle sind kleine VW Busse getreten, die hier "collectivos" genannt werden.
Für mich bedeutet das Radfahren hart am Limit, jede Kurbelumdrehung wird zum Kraftakt. Mittlerweile hat sich der Körper an  Strapazen gewöhnt und so kurbeln meine Duracellbeine selbst dann noch weiter,   wenn  die Psyche  schon längst rebelliert und  sich die Vernunft immer wieder zu Wort meldet und nach dem Sinn dieser Tortur fragt.   
Absteigen und Schieben ist bei diesen Strassen  keine Alternative. Selbst wenn man die Kurbeln mit letzter Kraft herumwuergt, ist das immer noch weniger anstrengend als das Rad zu schieben. 






















Coban ist eine typische Hochlandstadt mit steilen Strassen, einem bunten Marktviertel,    angenehmem Klima und freundlichen Menschen. Mitten in der Stadt gibt es Kaffeeplantagen, die man besichtigen kann und dabei den kompletten Verarbeitungsprozess von der Ernte bis zur Verpackung beobachten kann. 
Leider zeigt sich das Wetter nicht gerade von seiner freundlichsten Seite. Es regnet in Strömen und das Wasser steht knöcheltief in den Strassen der Stadt. 
Ich finde eine schöne Unterkunft im Hostal de Don Pablo, ein kleines Hotel mit sehr familiärer Atmosphäre und einem schönen Innenhof mit vielen Pflanzen.



Im Parque von Coban


3 Kommentare:

  1. Hoi Markus,
    wenn du willst, kann ich dir mein altes TomTom Navi zur besseren Orientierung senden - ich müsste vorher allerdings Süd- und Mittelamerikanisches Kartenmaterial uploaden ;-)
    Der abgetrennte Rinderkopf schaut nicht sonderlich appetlich aus - ich hoffe, dass die Rindssuppe trotzdem gut geschmeckt hat :-)
    Die Bilder sind wieder phantastisch! Wünsche eine gute und spannende Weiterreise!
    Gruss vom Götznerberg.
    German
    PS: freue mich auf die Photos der hübschen Senioritas

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  2. Hallo Markus,
    deine Fotos und Geschichten sind wie immer sehr Interesssat.
    In der Schule geht es mir recht Gut und habe jetzt auch den ersten 2 in der Deutsch Schularbeit geschrieben. In English kann ich noch nicht soo gut reden,weil ich die Aussprache noch nicht soo gut kann.
    Wie geht es den dir???
    Bei uns hat es an Ostern geschneit 5-10cm Schnee!!! Desshalb konnten wir unsere Ostereier im Schnee suchen! Aber naja, nicht umsonst heißt es:April April der weis nie was er will!!
    Ich will auch mal eine Weltreise machen. Deine Bilder und Geschichten haben mir die Interresse an anderen Länder,anderen Kulturen und anderen Lebensweisen gezeigt. Und jetzt will ich das auch mal nach Alaska,Amerika und bis hin nach Südamerika!
    Ich und die Klasse hoffen,dass du wieder zu uns an die Schule kommst und unser Englisch Lehrer wieder wirst. Ich will wieder mal das Spiel: Simmon said... spielen:)
    Ich hoffe dir geht es gut
    Grüsse aus dem Ländle Cora.

    ique te diviertas auf deiner Reise!!!!

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    1. Hallo liebe Cora,

      ich freu mich sehr, von dir zu hören. Leider habe ich in der letzten Zeit nichts Neues geschrieben, aber ich habe mir
      vorgenommen, demnächst mehr Geschichten und Bilder auf den blog zu stellen.

      Ich finde es super, dass du meine Reise verfolgst!! Vor allem wäre es natürlich schön, wenn du auch einmal
      die Gelegenheit haettest, eine schöne Reise zu machen. Es gibt so viele interessante Orte und Menschen auf
      der Welt. Wenn du auf Weltreise gehst, kann ich dir auf jeden Fall ein paar gute Tips geben.
      Was das Reisen viel, viel schöner macht sind die fremden Sprachen. Hier spricht man zwar fast überall Spanisch,
      aber mit den vielen Menschen aus der ganzen Welt, die auch hier unterwegs sind, spreche ich fast immer Englisch.
      Du kannst ja ein bisschen Spanisch!! Super!!
      Jetzt sind es ja fast nur noch 2 Monate bis zu den Ferien und es wird sicher bald warm und sommerlich.
      Ich bin gestern in Kolumbien angekommen. Ich musste eine abenteuerliche Reise mit einem Boot übers Meer machen,
      weil es ein kurzes Stück durch den Dschungel keine Strasse und keinen Weg gibt.
      Es geht mir sehr gut. Kolumbien ist ein wunderschönes Land mit sehr freundlichen Menschen.
      Ich schick dir ganz liebe Grüße aus Südamerika und freue mich wieder mal von dir zu hören!!
      Hasta luego
      markus

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