Donnerstag, 5. Januar 2012

Zacatecas...



Nach ein paar ruhigen Tagen in Durango ist wieder neue Energie in meinen Körper zurückgekehrt und ich mache mich auf den Weg in die etwa 300 km entfernte Stadt Zacatecas.
Es dauert bei größeren Städten  ungefähr eine Stunde bis man das gröbste Verkehrschaos hinter sich gelassen hat. In dieser Zeit steht man voll unter Strom und der Körper wird von Stresshormonen förmlich geflutet. Es gilt so gut wie möglich mit dem Verkehr mitzufliessen und man darf dabei nie vergessen, wo in der Hierarchie der Verkehrsteilnehmer man sich als Radfahrer hier befindet. Ich habe das Gefühl Mexikaner sind im Allgemeinen gute Autofahrer, vor allem wenn man bedenkt, dass es hier keine Fahrschulen gibt und die Menschen das Autofahren von Bekannten oder Verwandten lernen. Klar, die vielen Kreuze am Strassenrand sprechen eine andere Sprache, aber ich persönlich habe bis jetzt keine schlechten  Erfahrungen gemacht. 
Es herrscht viel Leben auf Mexiko's Strassen und Autofahrer sind es gewohnt, dass ständig irgendwelche Hindernisse wie Reiter, Esel, Fuhrwerke, Hunde oder Radfahrer vor ihnen auftauchen. 














                                          Mexikos Strassen sind für alle da...


Ich glaube es gibt in diesem Land weder Radarkästen noch sonstige Geräte zur Geschwindigkeitsmessung. Trotzdem fährt hier mit Sicherheit niemand zu schnell durch eine Ortschaft. Mexiko hat die einfachste und effektivste aller Geschwindigkeitskontrollen. In allen Ortschaften, vor Schulen, vor Fußgängerübergängen  und zwischendurch auch manchmal irgendwo im Niemandsland werden haarsträubende Buckel auf die Fahrbahn betoniert, die bei einem  Geschwindigkeitsrausch ganz schnell für Ernüchterung sorgen. Wer schneller als im Schritttempo über diese Topes fährt, kann seinen Weg ganz sicher zu Fuss fortsetzen. In diesem Land lauern Millionen dieser Bodenschwellen und obwohl ich mich schon ziemlich gut an sie gewöhnt habe, werde ich von ihnen immer noch regelmäßig unsanft aus meinen Tagträumen gerissen.  




Seltsam, aber der erste Tag auf dem Rad, nach ein paar Ruhetagen, ist immer der anstrengendste. Unabhängig  vom Anspruch der Strecke ist man  abends einfach irgendwie fertig. Heute führt die Strasse den ganzen Tag durch hügelige,  wüstenartige Landschaft, in der einzig und allein Kakteen eine Lebensgrundlage finden.  Am Abend erreiche ich eine kleine Stadt namens Vincente Guerrero. Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht in jeder Stadt, die ich erreiche, zuerst die Plaza zu suchen. Dann setze ich mich  eine Weile auf eine Parkbank und lasse die Atmosphäre  auf mich wirken. 
Schon nach ein paar Minuten setzt sich ein Mann neben mich, mit dem ich mich eine Weile nett unterhalte. Er wartet gerade auf einen Bus, der ihn bis in die USA bringt. Zwei volle Tage dauert diese Reise.  Zum Abschied schenkt er mir ein Buch mit Gedichten, die er selbst geschrieben hat. 
Ich finde ein kleines Hotel direkt an der Plaza. Eine freundliche ältere Dame gibt mir ein Zimmer um den halben Preis und schon auf der anschliessenden Suche nach einem Restaurant, komme ich erneut   in den Genuss mexikanischer Gastfreundschaft, als mich ein einheimisches Paar zu Taco und Bier einlaedt und mir darüber hinaus das Angebot macht, ein paar Tage bei ihnen zu wohnen.  Was für eine Welle der Freundlichkeit, die mir in dieser Stadt  entgegenschlägt. 
















Indigenas (Huicholen) musizieren an einem Tacostand in
Vincente Guerrero.





Der nächste Tag fuehrt mich hoch in die Sierra de los Organos. Wieder dominieren bizarre Gesteinsformen und markante Berge die Landschaft. Neben den allgegenwärtigen Kakteen tauchen immer öfters  Nadelbäume auf. Auch hier wurden viele berühmte  Hollywoodwestern gedreht. Das intensive blau des Himmels im Kontrast zu den Rottönen der Erde sorgen für ein bezauberndes Farbenspiel und die  außergewöhnlichen Formen der tiefhaengenden Wolken betonen die endlose Weite der Landschaft.




















Rechtzeitig zum Sonnenuntergang erreiche ich Sombrerete, eine idyllische Kleinstadt mit etwa 20.000 Einwohnern. Sie liegt eingebettet zwischen sanften Hügeln, in denen noch immer riesige Mengen an Gold, Silber, Blei, Zinn und Quecksilber abgebaut werden. Als natürlicher Schutzwall ragen am nördlichen Ende der Stadt bizarre Felstürme in den fast kitschig blauen Himmel.  

Der Reichtum im Boden rund um Sobrerete wurde  bereits Mitte des 16. Jhdts entdeckt.  Er hat der Stadt immer schon einen besonderen Wohlstand beschert. Viele architektonisch herausragende Gebäude und ungewöhnlich viele  Kirchen prägen das heutige Stadtbild. Für mich ist Sombrerete eine wahre Perle unter den vielen schönen Kolonialstädten in Mexiko.













                 

Zwischen Sombrerete und Zacatecas bietet die Landschaft wenig Sehenswertes. Mexiko 45 macht einen Bogen nach Süden, was bedeutet, dass mir der hartnäckige Seitenwind der letzten Tage jetzt direkt ins Gesicht bläst. Windtage sind immer besonders mühsam.  Ein voll beladenes Reiserad mit all seinen Taschen ist eine aerodynamische Katastrophe und so fordert diese rastlose Kraft, die sich mir entgegenstemmt,  jedes Quäntchen meiner Gelassenheit, die ich mir über die vergangenen Monate angeeignet habe. 

Die Nacht verbringe  in einem kleinen Dorf namens Oja de Agua. Es ist eines jener seelenlosen Dörfer, die einzig und allein als Raststätte für durchfahrende LKW's dient. Auf der Suche nach einem Schlafplatz treffe ich einen einheimischen Tischler, der mir ein Nachtquartier organisiert.  Er heisst Jose und hat vor vielen Jahren einmal in einem Schigebiet in Colorado gelebt. Erfreut nimmt er meinen Besuch zum Anlass, gedanklich wieder einmal zurückzukehren in die Berge Colorados. Aus allen möglichen Schubladen kramt er  einen schier unerschöpflichen Vorrat an Coloradoprospekten und -broschüren hervor. Mindestens eine Stunde darf ich mir Bilder von Winterlandschaften und Schifahrern anschauen und wir beide teilen in diesen Momenten wohl die Sehnsucht nach verschneiten Bergen.
Nach ein paar Tacos an einem Stand auf der gegenüberliegenden Strassenseite schlüpfe ich in einem Getränkelager eines Restaurants in meinen Schlafsack. 




Jose macht alles vom Bilderrahmen   
bis zur fertigen Küche.         


Über Fresnillo führt mein Weg weiter Richtung Süden nach Zacatecas. Diese Stadt liegt auf etwa 2400 m und gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO. Riesige Silbervorkommen machten sie schon im 16. Jahrhundert zu einer der reichsten und  berühmtesten Städte Lateinamerikas. 
Heute lebt die Stadt vor allem vom Tourismus, wobei vor allem mexikanische Touristen nach Zacatecas kommen.  Die Kathedrale mit ihrer spätbarocken Fassade, die steilen gepflasterten Strassen, viele alte koloniale Häuser und herausragende Museen verleihen der Stadt einen besonderen Charme. 
Eine Seilbahn führt quer über die Stadt zu einem Aussichtspunkt und  eine Besichtigung der ehemaligen Minen gibt einen kleinen Einblick in das harte Leben der damaligen Minenarbeiter.





















Ich verbringe die Weihnachtsfeiertage in Zacatecas und treffe wieder meinen spanische Freund Jorge, der zwei Tage vor mir in Durango gestartet ist. Er hat schon ein paar Kontakte zu Einheimischen geknüpft, die uns durchs Nachtleben von Zacatecas begleiten. 
Unter anderem gibt es hier eine einzigartige  Diskothek mitten im Berg, die nur mit einer dieser kleinen Mineneisenbahnen erreichbar ist. 





                                                                   Diskothek "La Mina"






Ausblick vom Balkon.
Ich gönn mir hier ein Zimmer in einem Hostal mit wunderbarem Ausblick auf die die Stadt und die Kathedrale. Ich habe einen Kühlschrank, einen Fernseher, eine kleine Küche  und eine  Balkon.
Ich fühle mich wie ein Koenig in seinem Schloss. 






Am heiligen Abend ist es sehr ruhig in der Stadt. Wie bei uns ist Weihnachten hier ein sehr familiäres  Fest. Jorge und ich kochen gemeinsam, essen gemütlich und spazieren noch eine Weile durch die Stadt. 
Am Nachmittag hatte ich bereits ein fröhliches Familientreffen über Skype und konnte so ein wenig von der weihnachtlichen Atmosphäre im Ländle spüren. Das tut der Seele wahrlich gut, den Weihnachten ist fern der Heimat immer ein wenig mit sentimentalen Gefühlen verbunden. 
Allerdings darf ich mich wirklich nicht beklagen,  Zacatecas ist ein feiner Ort um Weihnachten zu verbringen. 

Die Tage hier beginnen immer in der Panaderia "Sucre" an der Kathedrale. Diese Bäckerei ist ein Geschenk für jeden Reisenden und zaehlt auf jeden Fall zu den  Sehenswürdigkeiten der Stadt. Langsam arbeite ich mich durch das imposante Sortiment an Gebäck und Süßwaren.  Anschliessend spaziere ich meistens eine Weile durch die engen, gepflasterten Strassen der Stadt. Vor allem jetzt zur Weihnachtszeit warten an jeder Ecke Überraschungen und Unterhaltungsprogramme in allen möglichen Varianten. 
Die Plaza de Armas wurde in einen Eislaufplatz verwandelt, der allerdings meistens ziemlich tief unter Wasser steht, weil die Generatoren zur Kühlung offensichtlich nicht so recht funktionieren. 
Es gibt mehrere Museen in Zacatecas wobei mich vor allem die Sammlung von Pedro Coronel, einem einheimischen Künstler,  begeistert. Einfach verblüffend, was dieser Mann an Kunstgegenständen zusammengetragen hat. In diesem Museum hängen unter anderem Bilder von Picasso, Miro, Dali und Masken aus den entlegensten Gebieten der Welt. 


Plaza de Armas, Zacatecas

Museo Pedro Coronel




Zwischendurch setze ich mich in ein Café und lese die Zeitung oder widme mich der Konjugation spanischer Verben. 
Immer öfters gelingt es mir auch zur Ruhe zu kommen, um Gelassenheit zu üben.  Irgendwo auf einer Bank zu sitzen, nichts zu tun und möglichst auch nichts zu denken. 

Beim Weihnachtsrummel unterscheidet sich Mexiko kaum von Europa und noch am Weihnachtstag herrscht hektisches Treiben in den Strassen. Viele suchen noch in letzter Minute ein passendes Geschenk für ihre Lieben und wahrscheinlich wäre ich auch noch irgendwo im Messepark unterwegs.  

Zacatecas hat ein riesiges Marktviertel. 
Märkte in lateinamerikanischen Städten begeistern mich immer wieder aufs Neue und diese Orte, an denen Angebot und Nachfrage noch in so traditioneller Form aufeinandertreffen, üben auf mich eine fast magische Anziehungskraft aus.  Ich liebe dieses fahle Licht , das den Markthallen diese eigenartig,  düstere Atmosphäre verleiht.  Das wunderbare Zusammenspiel von Farben, Formen, Gerüchen und Geräuschen.  Verkäufer, die hinter riesigen Obst- und Gemüsebergen, zwischen Getreidekörben und Reissäcken, hinter hängenden Fleischteilen und Krauterbuendeln, zwischen Vogelkäfigen und Stoffballen verschwinden.  Diese unfassbare Vielfalt an Dingen, komprimiert auf engstem Raum, schafft einen einzigartigen Mikrokosmos, der immer wieder aufs Neue zu einer aufregenden Entdeckungsreise einlädt.  Ein Markt ist immer auch  eine Essenz der kulturellen Eigenheiten einer ganzen Region. Hier kann man Dinge erfahren, die nicht im Reiseführer stehen und nicht zuletzt ist es ein perfekter Ort, um seiner kulinarischen Experimentierfreude freien Lauf zu lassen. 

Mit einem gemütlichen Frühstück im "Sucre" verabschiede ich mich von Zacatecas und radle zusammen mit Jorge weiter Richtung San Luis Potosi. 

Noch ein paar Szenen aus Zacatecas:














2 Kommentare:

  1. Hallo Markus - schönes neues Jahr und viel Spaß beim weiterradeln.
    Hast du schon eine Idee wie weit, bzw. wie lange deine Reise noch gehen wird?
    Für uns geht es morgen weiter nach Singapur und ende März wieder nach Hause.
    ganz liebe Grüße
    enzo, christine, tharis, leela

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  2. Hallo Markus,
    auch wir wünschen dir alles Gute für 2012 - speziell für die nächsten Wochen und Monate weiterhin viele spannende und schöne Erlebnisse und dies bei guter Gesundheit. Wir freuen uns über deine Berichte und Bilder und hoffen, dass du weiterhin so fleißig bleibst. Ganz liebe Grüße
    Beate und Paul

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