Montag, 2. Januar 2012

Espinazo del diablo...





Von Mazatlan aus schlängelt sich die Ruta 40 hoch in die Sierra Madre Occidental und durchquert dabei einige der grossartigsten  und abwechslungsreichsten Landschaften Mexikos. Es herrscht sehr wenig Verkehr auf dieser Strecke,  die Ausblicke auf die umliegenden Berge sind atemberaubend  und immer wieder erreichen wir kleine Dörfer, die es uns ermöglichen,  ganz tief in mexikanisches Leben einzutauchen.  Hier hat man oft das Gefühl, das Leben folgt einem ganz eigenen Takt und man ist vom hektischen Trubel einer Stadt unendlich weit entfernt.
Es ist eine wahre Freude hier unterwegs zu sein.
Einzig und allein die gnadenlos steilen und unendlich langen Steigungen sorgen dafür, dass wir vor lauter Enthusiasmus nicht abheben.


Hoehenprofil Espinazo del Diablo





Der Schweiss tropft mir von der Stirn und die Oberschenkel brennen. Verbissen stampfe ich in die Pedale und hoffe vergeblich dass mir die Strasse endlich mal wieder eine Verschnaufpause gönnt. Aber leider strebt sie mit unerträglicher  Gleichmäßigkeit  den Wolken entgegen.
Während der vielen Stunden im Sattel, habe ich genug Gelegenheit, darüber nachzudenken, ob ich den ganzen Plunder, den ich hier hoch schleppe auch wirklich brauche. Jorge's Rad wiegt mindestens 10 Kilo weniger. Er ist furchtbar stolz, mit so wenig Gepäck auszukommen, was ihn andauernd dazu bewegt, in den unpassendsten Momenten überflüssige Bemerkungen über meinen Schwertransporter zu machen.
Im Leben mancher Reiseradler dreht sich vieles um Gewichtsersparnis und manchmal nimmt das Streben nach der groestmoeglichen Leichtigkeit skurrile Formen an.
Dabei stößt man auf so kreative Lösungen wie das Kürzen der Schnürsenkel oder das Absägen der Zahnbürste. Ein Handtuch oder mehr als eine Unterhose erachten einige als überflüssigen Ballast.
Ich bewege mich genau am  anderen Ende der Skala, mache mir eigentlich nie gross Gedanken über das Gepäck und bin damit bis jetzt auch immer gut angekommen.

Ich habe immer viel zuviel zum Essen dabei, ein paar Bücher und sonst noch ein paar Dinge. die ich ziemlich sicher nie brauchen werde,  die mir aber ein gutes Gefühl geben, sie dabeizuhaben. In meinem Gepäck befinden sich so überflüssige Sachen wie ein Konjugationsbuch spanischer Verben, ein Lonely Planet Reiseführer, ein Rasierapparat, ein Fotostativ, ein Laptop...
Auf einer langen Reise verzichte ich auf viele  Annehmlichkeiten des Alltags und führe ein ziemlich einfaches Leben, in dem materialistische Aspekte relativ stark in den Hintergrund treten.
Da kann ein klein wenig Luxus im richtigen Moment, kann ganz schön viel Farbe ins Leben  bringen.
So ein richtig starker Espresso am Morgen aus einer italienischen Cafeteria bedeutet ein kleines Stück Wohlbefinden,  das ich einfach nicht missen möchte.
















Der spektakulärste  Abschnitt der Ruta 40 nennt sich "Espinazo del Diablo" (Rückgrat des Teufels) und wird vor allem von LKW-Fahrern sehr gefürchtet.
Vorbei an bizarren Felstürmen,  führt die Strasse oft beängstigend nahe am Abgrund vorbei und hunderte Kreuze und Denkmale erinnern an viele traurige Schicksale.








Am ersten Tag schaffen wir gerade mal 60 km und übernachten in einem  Dorf namens Concordia.  Es ist ein typisch mexikanisches Dorf mit einer liebevoll gepflegten Plaza und einer beeindruckenden Kirche. Abends spazieren wir durchs Dorf und haben das Gefühl, uns auf einer Zeitreise zu befinden. Es herrscht eine wohltuende Idylle. Die ganze Dorfgemeinschaft scheint auf  der Plaza versammelt zu sein. Die Gesichter der Menschen strahlen Zufriedenheit aus und die Kinder wirken fröhlich.
Das kulinarische Angebot Concordias ist sehr überschaubar.  Es gibt zwei Tacostaende, an einer Ecke wird  Rompompe (ein teeähnliches Getränk) ausgeschenkt und an einem Churrosstand stehen jede Menge Kinder Schlange. Dazwischen mischen sich jede Menge Hunde.
Stolz kreisen ein paar Autos um die Plaza und unterhalten die Leute mit dröhnender amerikanischer Popmusik. Anstatt bei einem Bier lassen wir den Tag bei einem Becher Rompompe ausklingen.
Am nächsten Morgen radeln wir nochmals zur Plaza um Wasser für unterwegs zu besorgen. Neben der Kirche, mitten in diesem idyllischen Dorf stehen einige Polizeiwagen voll schwerbewaffneter Polizisten. Es ist ein Bild wie es widersprüchlicher nicht sein könnte. Aber es besteht kein Grund zur Sorge. Jeden Samstag demonstriert hier die Polizei mit einer kleinen Parade ihre Stärke.


















Die Praesenz der Polizei und des Militärs in Mexiko ist auffallend hoch und wohl ein untrügliches und sichtbares Zeichen dafür, dass die Situation in diesem Land nicht so entspannt ist, wie man es als Reisender oft gerne wahrhaben möchte.  
Wir unterhalten uns sehr oft mit Einheimischen und versuchen immer wieder so viel wie möglich über die gegenwärtige Lage zu erfahren. 

In vielen Regionen Mexikos haben die Menschen sehr gelitten in den letzten Jahren. Widersprüchliche Meldungen  über die Sicherheitslage   sorgen immer noch dafür, dass gegenwärtig sehr wenige Touristen den Weg nach Mexiko finden. In den USA sind viele Menschen entsetzt, wenn man ihnen erzählt, dass man nach Mexiko reist. Sie sind der Meinung  in ihrem südlichen Nachbarland herrsche Krieg.  


Oft sind es kleine unauffällige Dörfer wie Concordia, die ohne grosse Sehenswürdigkeiten beeindrucken und es ist nur eine der vielen faszinierenden Facetten des Radreisens, dass man immer wieder an Orte gelangt, in denen man authentisches lateinamerikanisches Lebensgefühl erfahren kann.  


Der nächste Tag bringt uns nach  Santa Lucia. Ein kleines Dorf, das rund um eine Goldmine entstanden ist. Gastfreundschaft besitzt in Mexiko einen unglaublich hohen Stellenwert und so bietet uns ein Minenarbeiter  eine Unterkunft an, die durch ihre kreativ männliche Dekoration besticht. 
























Wenn man von der mexikanischen Küste auf fast 3000 m hochradelt, durchquert man etliche Vegetationszonen. Die Palette reicht vom dichten  Regenwald, über Nadelwälder, bis zu wüstenhaften Kakteenlandschaften. 


Wir müssen  auf dieser Strecke kaum Nahrungsmittel mitschleppen. Immer wieder findet man kleine Läden oder Restaurants.  Die Vielfalt der mexikanischen Küche ist  einfach unüberschaubar. Ständig entdeckt man Neues und Überraschendes.  Es ist wirklich erstaunlich, was einem selbst in den einfachsten Restaurants oft auf den Teller gezaubert wird. 




Wir überqueren heute die Grenze zum Bundesstaat Durango. Hier wird Pancho Villa als Held verehrt,  die Männer tragen Cowboyhüte und Westernstiefel und die Landschaft erinnert stark an Szenen  alter Wildwest-Filme. 
Tatsächlich wurden hier viele berühmte Western gedreht und man kann die alten Filmdörfer heute noch besichtigen.



















Fuer die gut 300 km von Mazatlan nach Durango brauchen wird sechs Tage. In Durango sind meine Beine so leer, dass ich kaum die Stufen in mein Hotelzimmer hochkomme. 
Aber die Erlebnisse und vor allem die Begegnungen der letzten Tage, lassen die Mühen dieses anstrengenden Ritts schnell vergessen. 


Wie die meisten größeren Städte in Mexico hat auch Durango eine riesige Plaza und eine imposante Kathedrale. Weihnachtsbeleuchtung lässt die Innenstadt in allen mögliche Farben erstrahlen und die Strassen sind bis spät in die Nacht von Leben erfüllt. 
Jeden Abend finden Theaterstücke, Konzerte, Modeschauen oder sonstige Unterhaltungsprogramme statt. Dabei tritt die Qualität der Vorführungen etwas in den Hintergrund und die Weihnachtsgeschichte von Bethlehem wird schon mal mit ein paar knapp bekleideten Schönheiten aufgepeppt.  
Immer wieder setze ich mich  auf eine Parkbank und lasse einfach das Leben rund herum auf mich wirken. Es ist das beste Unterhaltungsprogramm, das man sich vorstellen kann.  




















































Leider trübt ein heftiges Ziehen in einem Zahn die unbeschwerten Tage in Durango und es bleibt mir nicht erspart, mich in die Hände einer mexikanischen Zahnärztin zu begeben. 
Anstatt an meinem Zahn, ist sie aber eher an meiner Reisegeschichte interessiert. Nach ein paar Röntgenbildern findet sie eine unsauber gemachte Plombe, unter der sich die Zahnwurzel entzündet hat. Ich bekomme Antibiotika und Schmerztabletten und schon am nächsten Tag ist der Schmerz so gut wie verschwunden. 
Und wieder ist mein Reiseleben um eine Erfahrung reicher.






Und noch ein paar Eindrücke entlang des Weges...





























1 Kommentar:

  1. Que tenaz la subida por es espinazo del diablo! Las fotos increíbles como siempre, espero que tu diente este mejor, gracias por darte el tiempo para escribir, es siempre super especial saber de tus aventuras me encanta poder viajar por medio de tus fotos y relatos.

    Cuidate y estamos pendientes de tus nuevas noticias!
    Un abrazo por el nuevo año!

    Inés

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